Was hat sich etwas Gutes tun, nein sagen lernen und sich vor Energievampiren schützen mit Selbstliebe zu tun?
Es ist so. Wir haben sozusagen zwei Personen in uns. Unser inneres Kind (das ist ein weites Feld und wird hier wohl noch öfter thematisiert werden) und unser erwachsenes Ich. Während meiner Therapie letztes Jahr habe ich gelernt, auf die Bedürfnisse meines inneren Kindes zu hören und es zu beschützen. Wie das geht und warum das wichtig ist, wollte ich euch in diesem Beitrag erklären.
Wenn ein Kind etwas nicht möchte, sagt es nein (ich zB habe mich als Kind strikt geweigert, einen Bekannten von mir zu umarmen, weil er mir unheimlich war). Ein Kind tut nichts, was seinen Widerwillen aktiviert, außer es wird gezwungen. Und damit meine ich sehr junge Kinder, die noch nicht wissen, dass sie manches tun sollten und manches nicht.
Diese Beachtung und Durchsetzung unserer Bedürfnisse haben wir irgendwann verlernt. Die Gesellschaft und das Leben verlangen viel von uns und wir machen widerstandslos mit.
Beispiele:
Leistungsdruck im Job: Es ist 18 Uhr und du hast eigentlich Feierabend. Komischerweise bleiben alle Kollegen sitzen und arbeiten einfach weiter. Du möchtest lieber gehen, bist müde und ausgelaugt, möchtest nach Hause zu deinem Partner, aber du bleibst trotzdem sitzen. Weil du doch nicht als Einzige/r ständig pünktlich gehen kannst. Das wirft doch ein schlechtes Licht auf dich.
Leistungsdruck in der Schule und im Studium: Du bist völlig am Ende und hast einfach keine Kraft mehr, für die nächste Prüfung weiterzulernen. Trotzdem machst du diszipliniert weiter. Du kannst gar nicht anders.
Du kannst nicht nein sagen. Unternimmst Dinge, die du eigentlich nicht magst, triffst Leute, die nicht zu dir passen und lässt dich immer wieder als Seelenmülleimer missbrauchen. Energievampire lieben dich. Du möchtest nicht unhöflich oder unfreundlich sein. Dabei bist du ZU DIR SELBST unfreundlich. Insbesondere zu deinem inneren Kind, das sich eigentlich darauf verlässt, dass dein erwachsenes Ich es beschützt!
Durch diese Missachtung unserer Bedürfnisse tun wir uns selbst Schreckliches an. Wir merken es im ersten Moment nicht, aber mit der Zeit entsteht dadurch eine große Unzufriedenheit, möglicherweise sogar ein Burnout oder eine Depression.
Wir überfordern uns und damit unser inneres Kind also regelmäßig.
Dazu kommt, dass wir das innere Kind nicht nur missachten und überfordern, sondern es auch noch wegen seinen Gefühlen (Eifersucht, Angst vorm Verlassen werden, Einsamkeit, Wut, Traurigkeit) mit Verachtung strafen.
Beispiel:
Du bist sehr eifersüchtig. Du schreist deinen Partner an oder schmollst wie ein kleines Kind. Woher kommt wohl dieses Verhalten, von einem Erwachsenen oder von einem Kind? Das innere Kind hat Angst (wieder) alleine gelassen zu werden. Es kann nichts dafür. Aber DU machst dir selbst Vorwürfe, dass du so eifersüchtig bist. Hasst und verachtest dich vielleicht sogar dafür.
Ich denke, dass dieses innere Kind wütend auf uns ist. Dass es uns hasst, weil wir es nicht mehr beachten und dass Selbstliebe erst dann möglich wird, wenn das innere Kind und der Erwachsene in uns beste Freunde werden.
Wie man das innere Kind beschützt
1. Hab Mitgefühl mit deinem inneren Kind
Jeder Mensch hat unterschiedlich viel Energie, unterschiedlich viel Kraft und Motivation, Dinge zu tun (besonders wenig wenn man depressiv ist!). Wenn du jemand bist, der nicht 8 Stunden am Tag lernen kann, dann ist das OKAY! Wenn du jemand bist, der keine Energie für Überstunden hat, ist das OKAY. Überfordert sein ist okay. Eifersüchtig sein ist okay. Wütend, traurig, verrückt, alles sein ist okay. Gedanken wie „Warum bin ich so schwach? Ich muss mehr lernen/arbeiten! Ich muss mehr Prüfungen schreiben! Ich muss das Studium schneller beenden! Ich darf mich nicht krankschreiben lassen!“ sind destruktiv und machen auf Dauer kaputt!
Anstatt dich und dein inneres Kind fertig zu machen, hab Verständnis. Hab Mitgefühl mit ihm. Wenn du mit Liebe in dich hinein hörst und dir klarmachst, dass da ein Kind ist, das Bedürfnisse und Gefühle hat, wirst du immer häufiger sein leises Stimmchen hören. Und irgendwann wird es nicht mehr böse auf dich oder andere sein, sondern Selbst- und Nächstenliebe versprühen.
2. Kommuniziere mit deinem inneren Kind
Es ist wichtig, dass du als Erwachsener mit deinem inneren Kind kommunizierst. Dass du ihm zeigst, da ist jemand, der es beschützt. Ich weiß, das mag sich vielleicht verrückt anhören, aber es wirkt. Und wenn etwas wirkt, darf es ruhig ein wenig verrückt sein, oder?
Sag deinem inneren Kind (und dir selbst), dass es okay ist, dass es jetzt so fühlt wie es fühlt. Wenn es traurig ist, sprich zu ihm oder schreib einen Brief!
Das könnte sich zum Beispiel so anhören:
„Armes kleines Ingridchen, sei ruhig traurig, ich passe auf dich auf, ich nehme mir jetzt eine Auszeit und tue dir was Gutes.„
„Liebe kleine Ingrid. Es wird schon alles gut. Die Welt wird nicht untergehn. (Tröstende, verständnisvolle Worte zum jeweiligen Grund traurig zu sein.) Ich bin doch da für dich.“
Ihr kennt doch bestimmt diesen Spruch, man solle sein eigener bester Freund sein, denn mit sich selbst müsse man ein Leben lang klarkommen. Genau so funktioniert das. Das besteFreundesein. Wenn es dir schwer fällt, mit deinem inneren Kind zu sprechen, stell dir vor, du würdest mit deiner besten Freundin reden. Was würdest du ihr sagen, wenn sie traurig/wütend/schwach ist?
Kinderfoto
Such dir ein altes Kinderfoto von dir heraus, bei dem du so etwas denkst wie „oh Gott wie süss dieses Kind ist! Ich würde es so gerne drücken und ihm Liebe schenken!“.
Das Foto kann dir dabei helfen zu erkennen, wie unglaublich wertvoll du warst (und bist!).
Sag dem Kind auf dem Foto, wie süss und lieb es ist. Wie wertvoll es ist. Und dass es überhaupt nichts tun muss, um das zu sein. Es darf verletzlich, schüchtern, wütend und tollpatschig sein, egal was; es ist es wert, geliebt zu werden!
Wenn du ab jetzt merkst, dass du dich für irgendetwas verurteilst oder schämst oder dass dir Selbstliebe fehlt, sieh dir dein Foto an.
Erkenne endlich, dass DU DAS AUF DEM FOTO BIST – nur in einer etwas größeren Version – und dass du, wenn du das Kind lieben kannst, auch DICH lieben kannst!
Und wie kann man denn dieses kleine Ding nicht lieben?
Erkenne dein inneres Kind im Spiegel
Schau in den Spiegel und sieh dir deine schönen, lieben Augen an. (JEDER hat schöne Augen!!!)
Damals hast du aus ihnen rausgeschaut und warst schwach und verletzlich. Jetzt schaust du aus ihnen raus und darfst noch immer schwach und verletzlich sein. Du bist ein Mensch. Und Menschen sind zerbrechlich.
Damals hast du aus ihnen rausgeschaut und warst wertvoll. Jetzt schaust du aus ihnen raus und bist genauso wertvoll.
Erkennst du tief in deinen Augen das Kind von früher? Das verletzliche, schüchterne, ängstliche, schwache kleine Ding, das so unglaublich liebenswert, süss und wertvoll war?
Das Kind war wertvoll, mit all seinen Fehlern, Gefühlen und Eigenarten.
UND DU BIST WERTVOLL, mit all deinen Fehlern, Gefühlen und Eigenarten!
Umarme dein inneres Kind
Wenn du gerade auf dem Sofa oder im Bett liegst und es dir schlecht geht: Versuch mal, dich selbst zu umarmen oder dich ganz fest in eine Decke zu kuscheln und stell dir dabei vor, du würdest das Kind von früher umarmen. Und für es da sein. Ihm Geborgenheit schenken.
3. Achte auf dein inneres Kind und tu ihm etwas Gutes
„Treat yourself“ bedeutet soviel wie „Verwöhn dich“ und ist nicht nur irgendein dummer Spruch, der mal wieder in Mode gekommen ist.
Wenn man gut zu sich selbst ist und auf sich achtet, liebt man sich selbst auch mehr. Es ist, als würde der Erwachsene das Kind umsorgen und das Kind hört auf, den Erwachsenen zu hassen, sondern ihn zu lieben. Versteht ihr??
Wenn du also traurig bist oder es dir anderweitig schlecht geht, tu dir etwas Gutes! Schreib dir eine Liste mit Dingen, die dich und dein inneres Kind trösten würden. Wenn du abends alleine bist und dich einsam fühlst, sorge für dein inneres Kind, bemuttere es! Du könntest ihm zB etwas Leckeres kochen oder den Lieblingskuchen backen. Deine Lieblingsserie schauen. Was auch immer „euch“ Spaß macht.
Ich sage nicht, dass du dann sofort glücklich sein wirst. Aber mit der Zeit wird sich etwas in dir ändern.
Genauso wichtig ist es, am nein sagen zu arbeiten und daran, seine eigenen Grenzen zu verteidigen. Sei es in Freundschaften, in der Liebe, in der Arbeit oder im Studium. Wenn jemand seine eigenen Bedürfnisse nicht beachtet und Dinge gegen seinen eigentlichen Willen tut, verringert er sein Selbstwertgefühl dadurch selbst. Er verletzt es, tritt es mit Füßen. Er schreit sozusagen: Du bist es nicht wert, dass ich für dich nein sage! Die Wünsche anderer/ die Normen der Gesellschaft sind wichtiger als deine Wünsche und Wertvorstellungen!
Indem du auf dein inneres Kind achtest und seine/ deine Grenzen schützt, erhöhst du sowohl dein Selbstwertgefühl, als auch deine Selbstliebe.
Im Laufe des letzten Jahres hat es mir sehr viel gebracht, mein erwachsenes Ich und mein inneres Kind voneinander „zu trennen“ und sie zu besten Freunden zu machen. Früher war alles vermischt und ich wusste nicht mal, dass ich auch eine starke, erwachsene Seite in mir habe, die auf die schwache aufpassen kann. (Diese erwachsene Seite kann übrigens sehr gut Entscheidungen treffen, wenn du sie lässt!)
Durch diese „Trennung“ wird der Erwachsene in dir gestärkt, weil er das Gefühl bekommt, er sei stark genug, um auf das innere Kind aufzupassen und es zu schützen. Und dein inneres Kind wird getröstet, fühlt sich sicher und geliebt. Probier es mal aus und erzähl mir, ob du dein inneres Kind gefunden hast und es dich schon lieb hat 🙂
Barbara
Danke für deine berührende Zeilen. Bin mitten in der Kontaktpflege mit meinem inneren Kind. Und ja, die Selbstliebe wächst dadurch. 🙂
Ingrid Cat
???
Sabine Lindheim
Ich stelle gerade fest, dass ich all meine Kinderfotos vernichtet habe. Wie traurig ist das. Versuche von meiner Cousine eins zu bekommen, so dass ich mit meinem Kind wieder in Kontakt treten kann. Danke für deine einfühlsamen Worte bzgl. innerem Kind, ich denke das ist auch eine Ursache mit das ich in keiner festen Beziehung bin, wie will ich ohne Selbstlieb jemanden anderes lieb haben.