Es war einmal ein kleines Mädchen namens Ally. Sie hatte dunkelbraunes Haar, eine riesige Brille auf der Nase und was sie am meisten liebte, war Musik. Ihre Lieblingsbeschäftigung bestand darin, in ihrer selbstgemachten Höhle aus Decken und Kissen zu liegen, mit den Kopfhörern auf den Ohren und von tausend Welten zu träumen.
Allys kleine Persönlichkeit war eine Mixtur aus verschiedensten Eigenschaften, positive wie negative. Sie war lieb, gutherzig, eigensinnig, frech und laut, verträumt, kindisch, unordentlich und faul, witzig, wütend und manchmal ganz schüchtern.
Jeder liebte Ally. Sie war der kleine Sonnenschein der Nachbarschaft und jeden Abend saß sie auf der Treppe im Hof vor dem alten Haus und sang wie ein kleiner Vogel.
Ob ihre Stimme schön war oder ob andere sie komisch fanden? Daran verschwendete sie keinen Gedanken.
Ich liebe Singen. Aber ich tue es nie, weil es mir peinlich ist. Letztens bin ich mit meinem Fahrrad zum Wochenmarkt gefahren, mein Lieblingslied von Ed Sheeran dröhnte in meinen Ohren und ich hatte so Lust mitzusingen. Aber was sollten die Leute von mir denken, wenn sie mich, wie eine Verrückte, singend auf dem Fahrrad sehen würden. Und dann auch noch mit meiner grauseligen Stimme.
Ich hielt also den Mund… wie immer. So war es schon immer und wird es immer sein. In der Schule, an der Uni, beim Einkaufen und Bahnfahren, ja sogar bei meinen Freunden. Ich mag es nun mal nicht, die Aufmerksamkeit der anderen auf mich zu ziehen. Ich bin lieber für mich, unauffällig und ruhig. Vielleicht sollte ich das einfach akzeptieren…
Nein, liebe Ally, das solltest du nicht! Du warst nämlich nicht immer so.
Can you remember who you were before the world told you who you should be?
Wir kommen auf die Welt und denken nicht darüber nach, wie wir sind. Wir sind einfach.
Aber mit der Zeit werden uns Dinge beigebracht. Wir werden praktisch nach den Vorstellungen unserer Eltern, unserer Familie, unserer Lehrer und der Gesellschaft geformt. Uns wird ständig gesagt, dass wir dies tun und jenes lassen sollen. Wir sollen so sein und so nicht sein. Informationen und Regeln, wohin das Auge reicht und wir nehmen alles auf.
Und irgendwann vermischt sich unser eigentliches Ich mit all dem Erlernten, den Regeln, Wünschen und Anforderungen der anderen. Und wir können nicht mehr unterscheiden, wer wir sind und wer die anderen.
Ein Beispiel:
Ich wollte immer fleissig und tüchtig sein. Wenn ich mal faul war, hatte ich ein schlechtes Gewissen. Wenn jemand anderes über mich dachte, ich sei faul, weil ich beispielsweise während Teilen meines Studiums keinen Nebenjob hatte oder weil ich nach meinem Studium erstmal arbeitslos war, schämte ich mich so sehr. Und ich dachte selbst schlecht über faule Menschen und Leute, die jahrelang arbeitslos waren.
Erst als meine Therapeutin fragte, was denn eigentlich so schlimm am Faulsein sei, kapierte ich, dass ich es gar nicht schlimm fand! Sondern lediglich die Ansicht meiner Familie übernommen hatte, dass faule Menschen… „scheisse“ sind. ICH bin sehr gerne mal „faul“ und finde, dass man das sogar braucht!
Ein Puzzle mit fehlenden Teilen
Als Kinder sind wir ein wunderschönes, buntes, vollkommenes Puzzle. Die Gesellschaft sagt uns, welche Puzzleteile wir entfernen sollen, um „perfekt“ zu sein.
Und dann sind wir erwachsen. Haben versucht – so gut es geht versucht – die anscheinend hässlichen Puzzleteile zu entfernen. Doch etwas, das zu uns gehört, können wir nicht einfach löschen. Es ist noch da, es will raus, aber wir verstecken und unterdrücken es und schämen uns dafür! Oder wir wissen nicht einmal, dass es da ist!
Ganz oft ist sogar Letzteres der Fall. Wir wissen nicht mehr, wer wir sind.
Und das ändern wir mit diesem Projekt!
Erst wenn du akzeptierst, wer du bist, kannst du dich selbst lieben.
Um aber zu akzeptieren, wer du bist, musst du erst mal wissen, wer du bist.
AUFGABE BIS ZUM NÄCHSTEN MAL…
Deine aller erste Aufgabe besteht darin, zwei Listen zu erstellen (es werden noch weitere folgen), bei denen es um die Frage geht „Can you remember who you were before the world told you who you should be?“:
- Liste: Wer warst du als Kind? Wie war dein Charakter, was hast du gern getan, was waren deine Träume?
-
Liste: Welche deiner Eigenschaften und Verhaltensweisen wurden abgelehnt? Wie solltest du sein, wie durftest du nicht sein?
Und welche Dinge hast du von deiner Mutter/ deinem Vater/ deinen Großeltern/ deinen Lehrern aufgegriffen?
Die Übungen werde ich alle auch selbst durchführen und hier posten 🙂 Wenn ihr möchtet und es euch nicht zu persönlich ist, könnt ihr sehr gerne in den Kommentaren eure Listen, erfüllten Übungen oder Gedanken dazu aufschreiben!
Kussi ?
Bilder sind von Pinterest.
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wideeyedtree
Wunderbar geschrieben, liebe Ingrid! Ich denke auch viel über das nach! Ich habe als Kind auch so gerne gesungen, meine Freundinnen und ich haben hunderte Nachmittage damit verbracht unseren Gesang auf Kassetten aufzunehmen. Mir war aber damals als ganz kleines Kind schon bewusst, dass mein Gesang nicht so schön wie der meiner Freundinnen war, aber das war ok für mich, es machte einfach so viel Spaß! Mein Gesang ist seither nicht besser geworden, ich treffe einfach die Töne nicht so gut 😉 aber ich liebe das Singen nach wie vor, aber habe auch Hemmungen wie du. Ich singe dafür ganz lauf im Auto, da wo es niemanden stören kann hihihi und wenn ich alleine bin. Mein Hund scheint es zu lieben, was ich recht lustig finde 🙂 Es ist wichtig, dass wir nicht vergessen, was uns als kleines Kind bevor all der Leistungsdruck kam, wichtig was und was uns eigentlich den größten Spaß machte. Es ist wirklich ein Wegweiser für das Erwachsenenalter. Das ist ein richtig umfangreiches Thema, das du da angerissen hast! Aber wichtig! Fühl dich umarmt <3
t i l d e
Was für ein wunderbarer, wunderbarer Blogeintrag! Vielen Dank dafür, Ingrid, ganz im Ernst! Ich freue mich schon auf die Aufgabe und mache natürlich mit! Bin schon ganz gespannt auf deine Liste und die der anderen. ?? noch einen feinen Abend euch.
Karamellkatze
Liebe Ingrid,
ist es in Ordnung, dass ich dich auf meinem neu entstandenen Blog verlinkt habe?
Würde gerne öfter bei dir lesen! Und mich auch weniger allein fühlen! Sehr schön, was du geschrieben hast, ich kann mich da gut wieder finden!
Alles Liebe!