Ich würde euch gerne einen Text zeigen, den ich am 24. November 2015 um 01:40 Uhr auf meinem alten Blog veröffentlicht hatte. Es fällt mir nicht leicht, weil er unendlich persönlich ist.. :-/ Ich hatte ihn ja für meinen anonymen Blog geschrieben, wohlwissend, dass ihn nie jemand lesen wird, der mich kennt. Und jetzt kann ihn jeder lesen. Aber ihr wisst ja. #keinemaskenmehr
Beim Durchblättern meiner alten Beiträge bin ich auf ihn gestoßen und dachte, dass es total interessant ist, wie sehr sich alles verändert hat und wie sich diese Sache, die ich so sehr an mir gehasst habe, an der ich richtig verzweifelt bin, fast in Luft aufgelöst hat. Das hätte ich nie nie nie gedacht. Und das nur durch ein paar Übungen Zuhause. Das ist sozusagen der Grund, warum es imWinter gibt 🙂
Bevor ich also die gesamte Übung zu den Glaubenssätzen poste, gibt es jetzt erstmal den Text vom November:
It’s all in the mind
Ich sitze hier direkt am Fenster, auf meiner Couch, auf dieser weißen Kuscheldecke und glotze die orange leuchtenden Fenster gegenüber an. Ich liebe das so sehr, diese Wohnungslichter. Man weiß, da ist noch jemand wach außer mir, da ist noch jemand auf dieser Welt außer mir.. Was die Person wohl so macht? Frage ich mich jedes mal. Ich stelle mir vor, sie sitzt an einem Tisch und schreibt wie ich in einen Blog. Und ihre Mitbewohnerin erfreut sich des Klackerns der Tasten, während sie, eine graue Katze auf dem Bauch, auf dem Sofa liegt und ein Buch liest. Da drüben kuschelt ein Paar im Wohnzimmer. Und ganz da hinten wird ein Kuchen gebacken.
Irgendwie fangen meine Texte immer gleich an. Wenn sich jemand hierher verirrt und immer nur die Anfänge liest, muss das sehr oberflächlich und nichtssagend rüberkommen.
Egal.
Mit Alltäglichem anzufangen hilft mir, einzusteigen, meine Gedanken auf den Inhalt zu konzentrieren und herauszufiltern, was mich gerade wirklich beschäftigt.
Keine Veränderung mehr
Es ist so, dass ich zur Zeit nicht mit meiner inneren Arbeit weiterkomme. Wie ihr wisst, habe ich letztes Jahr eine Therapie angefangen und leider musste ich sie wegen des Umzugs abbrechen. Zur Zeit suche ich nach einer neuen Therapeutin, war schon bei 5 Vorgesprächen, aber niemand scheint meine geliebte Frau L. ersetzen zu können. Das macht mich innerlich sehr unruhig.. Ich habe 50 Telefonnummern durchtelefoniert, einige könnte ich erneut anrufen, aber man darf auch nicht unendlich viele Vorgespräche führen. Ich wünsche mir so sehr, weitermachen zu können. Ich habe mal erwähnt, dass ich eine sehr langsame, aber tiefgreifende Veränderung spüre. Diese Veränderung hat aufgehört. Es gab so vieles dazwischen, Masterarbeit, Beendigung des Studiums, Umzug, Stress bis zum Burnout, sehr viel was schief gelaufen ist und jetzt, ein Klarkommen mit einem ganz neuen Leben. Jeden Tag ein Kampf gegen das schwarze Loch, das unter mir gähnt. Ich balanciere mit einem langen Stab auf einem Drahtseil, habe Angst, mich mit mir zu beschäftigen und .. schließlich zu fallen.
In 4 von 5 Vorgesprächen musste ich weinen. Komisch, dass mein Schmerz ein Gegenüber braucht, um sich raus zu trauen.. Denn ich weine nie alleine.. Ich weiß einfach nicht, wie ich das ändern kann. Ich weiß nicht, was ich in dieser Zeit der Arbeits-, Freunde- und Therapielosigkeit tun soll, um nicht zurückzufallen, um die Ängste nicht die Oberhand gewinnen zu lassen. Meditieren? Irgendwelche Bücher lesen? Schreiben um allem bewusster zu werden und zu verarbeiten? In mir ist so viel Angst und Scham – vor allem Scham – dass ich mir nicht vorstellen kann, das irgendeine dieser kleinen Handlungen irgendwie weiterhelfen kann. Ich habe ja damals meditiert und die Scham stieg nur ins Unermessliche, anstatt abzuklingen. Ich habe kaum Hoffnung, dass es aufhört..
Rotwerden und Selbstakzeptanz
Ein konkretes Beispiel ist das Angespanntsein und Rotwerden. Allein wenn ich daran denke, spüre ich wie sich alles in mir zusammenzieht, wie mein Geist davonrennt, schreit: Ich bin müde, lass mich jetzt schlafen, schreib morgen weiter! Ich möchte mich nicht daran erinnern, weil es die eine Sache ist, die ich nicht an mir akzeptieren kann, die ich an mir abgrundtief hasse. Ich spüre, wie Tränen hochkommen und sich meine Kehle zuschnürt. Ich habe gelernt, dass man auch die traurigen, wütenden, negativen Anteile in sich selbst akzeptieren soll. Aber WIE ZUM TEUFEL SOLL DAS GEHEN, wenn man diesen Anteil hasst und einfach nicht mehr haben möchte?! Wenn man bei der kleinsten Kleinigkeit rot wird, beispielsweise wenn man einer Friseurin erklärt, wie sie die Haare färben soll und dabei ein paar Fragen stellt. Oder wenn man einfach nur drei beschissene unwichtige Sätze sagen soll um sich einer Gruppe vorzustellen. Was in mir passiert: Angst vor dem Rotwerden und Verhaspeln, Herzrasen, Panik, Durchdrehen, Rotwerden, Knallrotwerden, noch mehr Panik da alle sehen können das etwas mit mir nicht stimmt, meine Unsicherheit, mein fehlendes Selbstwertgefühl, dass ich nichts bin, alles wird sichtbar, für Menschen, die mir fremd sind, die nichts von mir wissen und die ich teilweise nicht ertragen kann. Wegen drei Sätzen. Ich weiß ganz genau was während dieser ganzen Sache passiert. Angst vor dem Rotwerden, selektive Selbstaufmerksamkeit, man ist so sehr auf sich und seine Angst fixiert, dass man erst dadurch das Problem hervorruft. Und soll ich euch sagen was mir dieses Wissen bringt? Absolut nichts. Denn ich kann die Angst vor dem Rotwerden einfach nicht loswerden. Ich schaffe es einfach nicht, dass es mir egal ist. Vor 2 Wochen sagte M., ich wäre „feuerrot“ geworden als ich xy erzählt hatte. Ich wollte im Boden versinken als ich das hörte und wollte in der Zeit zurückreisen und während dem Feuerrotwerden ebenfalls im Boden versinken.
Nur noch ein Tropfen Hoffnung
Seit diesem Praktikum, seit den Vorstellungs- und Verabschiedungsrunden, habe ich eine regelrechte Phobie entwickelt. Ich habe solche panische Angst, dass ich allein bei der Vorstellung an einen Job innerlich zusammenbreche und auswandern will, in ein fernes Land, in dem es keine Jobs gibt. Ich wünschte es würde jemand kommen der das gleiche Problem hatte und es in den Griff bekommen hat. Der mir sagt, wie es geht und mir Hoffnung schenkt. Denn da ist wirklich nur noch ein Tropfen, der einfach nicht reicht, um weiter zu kämpfen.
Ich bin traurig. Schon seit vielen vielen Jahren bin ich so. Das mit dem Rotwerden war mal stärker, mal schwächer. Aber die Unsicherheit in mir, die Angst etwas zu sagen, mich vor anderen zu zeigen, abgelehnt zu werden, nicht gemocht zu werden, das Gefühl, dumm zu sein und nichts Gutes sagen zu können, das war immer da. Ich weiß, dass diese Sache tiefe Wurzeln trägt..
Ich will mich verstecken. Vor der Welt. Vor den Menschen. Die immer Gedanken haben, miese Gedanken. Ich weiß wie Menschen sind. Sie denken soviel Schlechtes. Und da ich kein eigenes positives Bild von mir habe, kann ich nicht anders, als ihres zu übernehmen. Und das ist ein verzerrtes, zerkritzeltes, dunkles, nichtssagendes Bild.
Im Internet findet man immer solche Tipps… 5 Tipps für mehr Selbstbewusstsein, juhu! Ich wünschte so sehr, dass ich EUCH schon Tipps geben könnte, anstatt nur Schlechtes zu schreiben, anstatt nicht weiter zu wissen.. Aber vielleicht kommt hier irgendwann mal jemand vorbei, dem genau das hilft. Der froh ist, von jemandem zu lesen, der auch durchdreht, der keine Tipps hat, der aber auf der Suche danach ist. Ich wünschte dieser Jemand würde jetzt schon kommen und mit mir gemeinsam auf diese Suche gehen..
Tschüss Internetwelt!
♥
Nadine Wahl
Hey du! Ja, genau, du da! Du wunderbarer Mensch, der all diese wunderbaren Texte schreibt, immer die richtigen Worte findet, kein Blatt vor den Mund nimmt und Menschen mit ihren Erfahrungen helfen möchte. Genau dich meine ich. Bitte höre nie auf zu schreben. Ich werde wahrscheinlich nicht jeden Text kommentieren, vielleicht nicht einmal jeden liken, aber sei sicher, dass ich jeden lese, dass ich deine Tipps verfolge, sie umsetze und Veränderungen beobachte. Also bitte mach hiermit weiter.
Liebe Grüße aus dem wolkigen, grauen Berlin,
Nadine
Ingrid Cat
Oh Gott dein Kommentar! Wie unendlich lieb, ich war vorher im Café als ich den gelesen habe und musste soo vor mich hingrinsen weil das so schön ist was du schreibst. Sowas bestärkt sooo sehr, besonders wenn man am Anfang ist und denkt „ach liest doch eh niemand, interessiert niemanden“ usw…
<3 <3 <3
Johanna
Ich bin grad durch Zufall (irgendwie durch’s Internet klicken) auf dein Blog gestoßen und: Hey, ich bin auch so jemand, werde schon beim Gedanken, vor fremden Menschen zu sprechen, rot. Ich zittere, wenn ich dran denke, dass ich am Montag ein Vorstellungsgespräch habe, und hab immerimmerimmer Angst davor, dass man denken könnte, ich wäre dumm, weil ich keinen geraden Satz herausbekomme, mich immerzu verhaspele, viel zu schnell spreche und mein Kopf einfach mal streikt und ich nicht weiß, was ich sagen soll, obwohl ich die Antwort eigentlich kennen müsste. Und hinterher ärgere ich mich immerzu, weil ich doch sonst nicht so bin. Ich bin kein verschüchterter Mensch, habe nur ein klitzekleines Problem mit meinem Selbstbewusstsein. Und genau die Tipps, die du nennst, kenne ich auch und nein, sie helfen in der Tat nicht. Danke, für deinen Text. Auch wenn es gemein klingt: Ich bin froh, endlich mal von jemandem zu lesen, dem es auch so geht, in einer Welt voller Menschen, die sich immer im Griff haben, jede Situation souverän meistern und niemals nie rot werden.
Ingrid Cat
Vielen Dank für deinen Kommentar! <3 Nein, das klingt gar nicht gemein, denn in den letzten Monaten habe ich gemerkt, dass es kaum was Schöneres gibt, als zu sehen, dass man mit seinen Problemen nicht allein dasteht. Dass es andere gibt, denen es genauso geht und dass das seine Gründe hat. Man nicht verrückt ist. usw. Darum danke ich dir dass du das mit mir teilst <3 Und ich habe letztens einen langen Text über genau dieses Thema geschrieben (noch nicht veröffentlicht) und "richtige" Tipps, die zumindest mir geholfen haben. Ich würde mich so freuen wenn es dir auch was bringen würde!
Liebe Grüße!
Ingrid Cat
Achso und: Ich bin mir sicher, dass es viel viel mehr Menschen gibt, die so sind wie wir, die aber nicht darüber reden. Denn oft schämt man sich am meisten dafür, sich zu schämen. Falls du verstehst was ich meine. Man will nicht zugeben, dass es einem unangenehm ist, vor anderen zu sprechen usw.
Verena
Hiéj Ingrid, ich bin über Youtube auf deinen Blog gestoßen und was soll ich sagen. Die 3 Sätze beim sich-vorstellen haben mir schon immer Angst gemacht. Während einer Vorstellungsrunde kann ich mir nichts über die anderen Menschen merken weil ich damit beschäftigt bin, die 3 perfekten Sätze in meinem Kopf auszuformulieren nur um dann, wenn es soweit ist, alles kaputt zu machen. Weil ich rot werde, mich verhasple, zu schnell rede und mich immer erklären oder rechtfertigen will.
Auf der Arbeit ist es ähnlich. Will mein Chef eine Zusammenfassung, was ich bereits im Projekt bzw der Projektarbeit erreicht habe, schnürt sich alles in mir zusammen. Immer denke ich, ich hätte viel zu wenig gemacht, gebe mir zu wenig Zeit für die Recherche weil ich denke dass die anderen denken, dass ich dumm sei wenn ich so viel recherchieren müsse. Immer wird bemängelt dass ich erst nach gut 2 Monaten auftaue. Anfange selbständig zu werden, Fragen zu stellen, andere um Hilfe zu bitten. Aber das fällt mir so unheimlich schwer, immer denke ich mir „das ist doch eigentlich eine klare Sache, nur du weißt das nicht, wenn du das jetzt fragst denken die anderen du seist dumm!“. Vielleicht ist das mein Hauptproblem. Immer denke ich, ich sei dumm und könne/wisse nichts. Das Abi machen? -Ach das kann doch jeder. Einen Studienplatz für ein duales Studium bekommen? -Mehr Glück als alles andere. Zudem schramme ich immer nur knapp am Bestehen vorbei. Mein häufigster Satz in der Schule war „irgendwann checken die, dass ich nix kann und bringen mich zurück in den Kindergarten“, oder so.
Ohje wie viel Gelaber. Was ich dir eigentlich sagen möchte liebe Ingrid, ist Danke. Danke dass du das hier mit der Welt teilst und Menschen wie mir zeigst dass sie nicht alleine sind. Dass es mehr Menschen mit Ängsten oder einem kleinen Selbstwertgefühl gibt. Und dass es mehr Leute da draußen gibt, die täglich ihren kleinen Kampf mit der Welt haben. Danke, dass du den Mut hast, das mit der Welt zu teilen.
Ingrid Cat
Oh mann, kann es sein, dass du ein kleiner Minizwerg bist, der sich in meinen Kopf eingepflanzt hat, alles über mich weiß und jetzt so tut als wäre er ein echter Mensch? 😀 😀 😀 Du schreibst einfach ALLES was ich denke und fühle, das ist echt verrückt 😀
„weil ich denke dass die anderen denken, dass ich dumm sei“ Ohhhh wie oft hat mich die Befürchtung, andere könnten denken, dass ich dumm bin, fertig gemacht 😀 Und da denke ich genauso wie du, dass doch „jeder Abi machen kann“ oder „das Psychologiestudium hab ich nur geschafft weil ich einfach totaaaal viel gelernt hab, das hat nichts mit Intelligenz zu tun“ usw. 😀
Dein „Danke“ bedeutet mir unendlich viel! Denn genau ist mein Ziel, anderen zu zeigen, dass sie nicht alleine sind mit der Art wie sie sind. <3