Ich esse kein Fleisch. Ich bin sogar Veganerin. Ich habe kein einziges Kleidungsstück aus Leder. Überhaupt kaufe ich sehr selten ein, weil ich gegen die heutige Konsumgesellschaft bin. Wenn ich einkaufe, dann nur auf dem Flohmarkt, in Secondhand-Läden oder Marken, die faire und nachhaltige Mode produzieren. Ich kaufe absolut plastikfrei ein. Außerdem nur Gemüse und Obst, das regional produziert wurde.
Mein Waschmittel und mein Shampoo stelle ich selbst her, aus natürlichen Mitteln. Ich benutze kein Auto und keinen Bus, sondern nur mein Fahrrad. Ich fliege nie in den Urlaub. Mein Handy und mein Laptop wurden unter ganz tollen Arbeitsbedingungen produziert. Und mein Schmuck besteht nur aus ethisch korrektem Gold. Ich habe keine Haustiere, da ich die Tierzucht in keinster Weise unterstützen will. Sonntags helfe ich freiwillig im Tierheim aus und mein Geburtstags- und Weihnachtsgeld spende ich für gemeinnützige Organisationen. Außerdem habe ich vor zwei Wochen eine Flüchtlingsfamilie in meiner Wohnung aufgenommen.
Bin ich nicht perfekt?
Ähem, ähem.
Was habt ihr beim Lesen dieses Textes gedacht?
Ich frage mich, ob es so eine perfekte Person tatsächlich gibt? Vielleicht irgendwo im Wald, hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen? Ich schreibe das alles aus folgendem Grund:
Letztens habe ich in der Therapie über mein schlechtes Gewissen gesprochen. Da ich „nur“ Vegetarierin bin und keine Veganerin, fühle ich mich schuldig… sogar heuchlerisch… Denn ich will ja, dass Tiere nicht für die Genüsse des Menschen missbraucht werden. Während ich das schreibe, schlürfe ich allerdings einen Latte Macchiato und habe nicht danach gefragt, ob es auch Sojamilch gäbe.
Ich weiß zuviel über die Tierhaltung, um mir einreden zu können, dass die Milchproduktion okay ist und dass Kühe sowieso Milch geben müssen oder sonstige komische Sätze, die ich schon oft gehört habe. Ich weiß, dass Veganismus der richtige Weg ist, wenn einem die Tiere und die Umwelt am Herzen liegen. Wie kann ich dann mit mir vereinbaren, nicht vegan zu sein?
Je nachdem, auf welcher Seite ihr steht, denkt ihr jetzt „Dann werde doch vegan!“ oder „Hör auf mit dem schlechten Gewissen, du tust doch schon genug, indem du Vegetarierin bist.“.
Und was meint meine Therapeutin? Sie sagt, ich muss herausfinden, welcher Weg für mich der Richtige ist. Dass es sich so anhört, als würde ich mich sehr mit dem Vegetarismus identifizieren und ich vielleicht akzeptieren sollte, nicht perfekt und in gewissem Sinne egoistisch zu sein. Da ein gewisser Egoismus auch wichtig für den Menschen ist…
Hmm ich weiß nicht was ich darüber denken soll… Und es fällt mir gerade schwer, meinen Zwiespalt zu erklären. Aber vielleicht wisst ihr schon, was ich meine? Vielleicht kennt ihr das selbst? Dass man nicht egoistisch sein möchte, der Erde etwas Gutes tun will, aber gleichzeitig irgendwie… keine Kraft… keine Motivation… keine Lust dazu hat, so viel zu verändern…
Als ich Vegetarierin wurde, habe ich ca. 8 Monate lang vegan gegessen, um zu testen wie es ist und ob Veganismus für mich in Frage kommt. Ich habe dadurch so viele Gerichte kennengelernt, die ich liebe und heute noch regelmäßig koche. Aber ich konnte es nie über mich bringen, auf bestimmte Dinge für immer zu verzichten. Zum Beispiel habe ich Kaffee zusammen mit allen erdenklichen pflanzlichen Milchsorten probiert (Sojamilch, Mandelmilch, Reismilch, Dinkelmilch, Hafermilch) und es hat mir gaaar nicht geschmeckt. Auch bestimmte italienische Gerichte mit Käse haben mir soo sehr gefehlt… Und dieser Satz ist purer Egoismus, das weiß ich…
Aber, ich denke:
Man kann eine Veränderung nicht erzwingen.
Beispielsweise habe ich versucht, Vegetarierin zu werden und es hat irgendwie von selbst geklappt, dass ich nach einem Monat gar kein Fleisch mehr essen WOLLTE. Fleisch war für mich einfach abgehakt und ich wusste ich werde es nie wieder essen und werde auch nicht in Versuchung kommen, es doch zu tun. (Was wirklich bis heute, 5 Jahre später, so geblieben ist.) Das hat sich aber bei Milch und Käse nie eingestellt. Es war immer wieder ein „Kampf“, darauf zu verzichten.
Wenn man so darüber nachdenkt, ist das eigentlich ein Wunder, dass ich überhaupt Vegetarierin bin. In meiner Familie war Fleisch so normal wie das tägliche Wassertrinken und alle meine Lieblingsgerichte enthielten Fleisch. Meine Familie hat sogar (in Rumänien) selbst Tiere gehalten und geschlachtet. In Deutschland hatten sie (und haben sie noch immer) eine riesige Gefriertruhe voller Fleischhhhhh. Vielleicht „reicht“ es, dass ich nur Vegetarierin bin? Vielleicht ist diese Entwicklung für mich okay? Und vielleicht wird ja mein Kind mal vegan sein?
Was wir verstehen sollten…
Niemand ist perfekt. (Oder kennt ihr etwa jemanden, der alle Punkte erfüllt, die ich oben aufgezählt habe?) Niemand muss perfekt sein. Es ist einfach wichtig, sich zu informieren und Spaß daran zu haben, Dinge auszuprobieren und zu verändern!
Ein schlechtes Gewissen bringt niemandem was. Es kann sogar eher eine kontraproduktive Wirkung haben, da man dadurch das jeweilige Thema ganz ignoriert. So war es bei mir bisher bei fairer Mode: Ich wollte mich gar nicht informieren, weil ich im Hinterkopf hatte: „Wenn ich erstmal damit anfange, darf ich nie wieder bei H&M oder Zara einkaufen.“ Aber diese Einstellung ist sooo sinnlos!
Dieser Druck wird auch noch von anscheinend perfekten Menschen verstärkt, die ständig rummeckern, warum man dieses und jenes tut (oder nicht tut), anstatt darauf zu achten, was man alles Positives tut! Die Bloggerin dariadaria (die ich übrigens sehr schätze) ist das perfekte Beispiel: Je mehr Gutes sie tut, desto mehr Kritik erntet sie. Wie soll uns das motivieren?!
Diese Kritiker sind keine Inspiration. Sie motivieren nicht, sondern schrecken ab. Sie geben einem das Gefühl: „Wenn du dich für Veganismus interessierst, dann musst du es schon 100%ig machen, sonst bist du ein Heuchler! Wenn du dann jemals wieder Schuhe aus Leder kaufst, lünchen wir dich!!“ Oder: „Wenn du einen Blogeintrag über faire Mode schreibst und danach nochmal bei H&M einkaufst, kommst du auf den Scheiterhaufen! Todesstrafe für H&M-Kunden.“
Ich weiß, man möchte Gutes tun und für das Gute einstehen. Das möchte ich beim Thema Fleisch auch. Wenn ich könnte, würde ich jeden einzelnen Menschen auf der Welt zum Vegetarier machen. Aber ich weiß auch, dass Überreden und Druckmachen nichts bewirkt. Wir sollten aufhören, uns gegenseitig ein schlechtes Gewissen zu machen, sondern einfach als gutes Vorbild vorangehen und uns gegenseitig unterstützen! Kleine Schritte von uns und auch von unseren Mitmenschen wertschätzen!
Natürlich darf und soll man informieren, aber böse Kommentare und Beleidigungen bringen nie etwas. Bevor man das tut, sollte man sich lieber mal die Frage stellen, ob man selbst wirklich perfekt ist und andere verurteilen darf.
Fazit?!
Ich habe also aufgehört mich zu entwickeln und mich darüber zu informieren, was ich alles Gutes tun könnte. Ich glaube, deswegen hatte ich ein schlechtes Gewissen. Weil ich alles ausgeblendet habe.
Ab jetzt werde ich das ändern. Ich werde wieder Dinge ausprobieren, ohne mir von vornherein Druck zu machen. Ich muss nicht perfekt sein. In der heutigen Welt ist es sowieso fast unmöglich, diesbezüglich perfekt zu sein.
Und ihr: Ihr solltet auch keine Angst davor haben, veganes Essen, plastikfreien Konsum, faire Mode oder was auch immer euch einfällt auszuprobieren. Jede gute Tat ist wichtig. Und man darf von seinen guten Taten berichten, auch wenn man NICHT alles richtig macht!
Lasst euch nicht von Miesepetern beeinflussen und einschüchtern. (Ich weiß, dass es einigen von euch so geht.) Es gibt zwar viele von ihnen, aber genauso gibt es viele, die eure Täten schätzen! Und euch toll finden, egal wie klein eure gute Tat ist!
♥ Cat
Sandra
Das sehe ich genau so. Man darf sich da nicht von der Meinung andere beeinflussen lassen. Weil auch die kleinen Schritte viel wert sind. Ein „gesundes“ jeder-kann-seinen-Teil-dazu-beitragen-Denken ist in meinen Augen sowieso erstrebenswerter denn so schließt man die Leute die gutes tun wollen aber ihr Leben nicht um 180° drehen wollen nicht aus.
Ingrid Cat
oh, ich weiß gar nicht ob du meinen Kommentar gekriegt hast, denn ich glaube ich habe nicht auf „Antworten“ geklickt. 🙂
Ingrid Cat
Danke für deinen Beitrag 🙂 Das letzte das du geschrieben hast finde ich auch wirklich wichtig: Denn Leute, die so extrem streng sind beim Gutes-tun fühlen oft eine Wut auf alles und jeden und können dann „normale“ Menschen (die zB nicht Vegetarier/ Veganer/… sind) nicht mehr leiden…
Juli
Ich spam dich heut abend zu Liebes?.
Ich neige ja auch von 0 auf 100% einzusteigen wenn mir irgendwas total gefällt, mich begeistert etc. ganz die Devise: Ganz oder gar nicht. Leider ist das kein gesunder Mittelweg und darauf kommt es doch eigentlich an. Wie beim abnehmen, von jetzt auf gleich nichts mehr zu essen ist ungesund, man hält es auch nicht aus.
Ingrid Cat
Spam mich ruhig zu, das gefällt mir 😛
Jaa, irgendwie fühlt sich das 100%-ige auch GUT an, so als hätte man irgendwas geschafft oder so, falls du weißt was ich meine. Nur manchmal hindert einen das dann daran, überhaupt etwas zu ändern :-/