Ich komme ja aus Transsilvanien (hab ich das schon erzählt?), deswegen dachte ich, ich würde einen Vampir erkennen, wenn er mir über den Weg läuft. Aber wieder mal falsch gedacht. Jahrelang konnten sie mich aussaugen und mir all mein Blut äh Energie nehmen, ohne dass ich es gemerkt hätte. Bis ich irgendwann den Kontakt zu den Menschen völlig verweigerte, weil ich sie einfach nicht mehr ertrug. Dabei wusste ich gar nicht, dass es auch andere Arten von Menschen, von Freundschaften, geben könnte.
Ich würde euch gerne jahrelanges Ausgesaugtwerden ersparen. Darum gibt es hier ein paar Tipps.
Die Begegnung mit einem Energievampir
„Psychische Vampire, auch als Energie-Vampire bekannt, sind emotional unreife Personen, die Zeit und Energie von denen abzapfen, die sie umgeben. Sie sind gewöhnlich stark an sich selbst interessiert und es mangelt ihnen an Empathie. Die Beziehungen, die sie bilden, dienen größtenteils dem Selbstzweck.“
Quelle: http://de.wikihow.com/Wie-man-mit-psychischen-Vampiren-umgeht
Stell dir vor, du redest mit einem Freund und er erzählt dir ein Problem. Immer wenn du etwas sagen möchtest, schaffst du maximal fünf Wörter, bevor er dir einfach das Wort abschneidet, um weiterzureden. Wenn du es doch mal hinkriegst, drei Sätze zu sagen, geht er nicht darauf ein und kotzt sich weiter aus. Erzählt eine Geschichte nach der anderen. So geht es eine Stunde lang. Oder wenn du Pech hast dein ganzes Leben lang.
Kurz gesagt: Ein Energievampir redet pausenlos, unterbricht, versucht andere zu übertönen oder anderswie die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Hört sich das zu extrem an? Genau das habe ich hunderte Male erlebt und konnte mich nicht dagegen wehren (Gründe s.u.). Natürlich gibt es auch Situationen, die nicht ganz so offensichtlich und extrem sind, in denen dir deine Energie genommen wird. Aber vielleicht hilft dir der folgende Abschnitt zu erkennen, wann es „gefährlich“ wird.
Die Symptome
Meist merkt man schon während eines Gesprächs, dass das eigene Energielevel sinkt und sinkt. Man möchte nicht mehr anwesend sein, nicht mehr zuhören, spürt ein Drücken auf der Brust oder ein Gefühl der Unzufriedenheit aufsteigen.
Sprichst du in einer Gruppe oder auf einer Party mit einem Energievampir, genießt du das Gespräch irgendwann nicht mehr und möchtest dich von ihm entfernen. Die restlichen Anwesenden ziehen dich auf einmal magisch an und du möchtest viel lieber mit ihnen sprechen als mit deinem Energievampir. Er lässt dich aber nicht. Er verlangt deine Aufmerksamkeit und holt sie sich mit allen Mitteln.
Nachdem du dich – nach gefühlt zwanzig Stunden – vom Energievampir entfernst, weißt du nicht mehr, wo dir der Kopf steht. Du fühlst dich müde und ausgelaugt. Du fühlst dich irgendwie missbraucht, als wärst du kein menschliches Wesen, sondern einfach nur ein seelischer Mülleimer, in den man all seinen Ballast hineinwerfen und verschwinden kann.
Kommt dir das irgendwie bekannt vor?
Das bevorzugte Opfer der Energie-Vampire
Besonders gefährdet sind Menschen mit einem hohen Empathievermögen, die gute Gesprächspartner sind und vor allem gut zuhören können. Von diesen wird man ernst genommen, man bekommt die meiste Aufmerksamkeit … und Energievampire lieben Aufmerksamkeit über alles. Denn durch sie bekommen sie auch ihre so dringend benötigte Energie.
Noch gefährdeter sind Menschen, die zusätzlich ein Problem mit ihrer Abgrenzungsfähigkeit haben. Das heißt, sie können ihre Grenzen gegenüber anderen nicht richtig „verteidigen“, können schlecht nein sagen oder ein Gespräch beenden, wenn es ihnen zuviel wird. Oft haben sie Angst, andere durch das Durchsetzen ihrer Bedürfnisse vor den Kopf zu stoßen.. Und hinter dieser Angst steckt eine weitere Angst, die Verlustangst (s.u. „Langfristige Folgen oder: Meine Geschichte“).
Der Energievampir krallt sich diese armen Menschen, bedrängt sie und nutzt ihre „Schwächen“ (die für Nicht-Energievampire einfach nur Eigenschaften eines sehr guten Freundes sind) schamlos aus, um seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.
Was kann man also tun???
3 Methoden, einen Energievampir zu bekämpfen
1. Auf die nette Tour
Wenn dir der Mensch, der sich hinter deinem Energievampir verbirgt, im Prinzip wichtig ist und du dich ungern von ihm trennen möchtest, kannst du erstmal versuchen ihm zu helfen.
Da er dich braucht, um irgendwelche Bedürfnisse zu befriedigen, sollte er darüber nachdenken, was ihm fehlt und was es ist, das er in seinem Leben in Ordnung bringen sollte.. Vielleicht kannst du das gemeinsam mit ihm herausfinden?
- Was raubt ihm die Energie? Hat er zuviel Stress? Arbeitet er zuviel? Vielleicht gibt es in seinem Leben zu wenig Ruhezeiten und stattdessen zuviel Alkohol, Drogen, Party? Oder hat er tiefer liegende Probleme und bräuchte evtl. eine Psychotherapie? Es gibt verschiedenste Erklärungen für einen ständigen Zuvielverbrauch an Energie.
- Fehlt ihm die Möglichkeit bzw. Fähigkeit, seine Energie selbst aufzutanken?
Zeig ihm Möglichkeiten, seine Energie aus anderen Dingen als aus Menschen zu holen: Zeit in der Natur verbringen, Zeit mit Tieren verbringen, Bewegung, bestimmte Hobbies, einen ruhigen Tag Zuhause, Meditation, gute Ernährung und und und. Was für ihn das Richtige ist und ihm die meiste Energie gibt, muss er selbst herausfinden, da das sehr individuell ist.
Was mir Energie gibt
Wenn dein Energievampir es tatsächlich schafft, sein Leben und seinen Gemütszustand in den Griff zu bekommen, wird auch sein Energielevel steigen und er wird weniger von deiner Energie benötigen.
Dieser erste Schritt bedarf jedoch äußerster Vorsicht. Da dein Energievampir durch deine Hilfe noch mehr Aufmerksamkeit und Energie bekommt, könnte es passieren, dass er das einfach nur genießt und dich damit noch tiefer in die Dunkelheit zieht, anstatt sich selbst zu helfen. Diese Möglichkeit ist sogar sehr wahrscheinlich. Denn oft tun solche Menschen nichts lieber, als die grundlegenden Ursachen ihrer Probleme zu ignorieren und zu verdrängen so gut es geht. Und meist schaffen sie das über Jahre hinweg. Dabei wissen sie nicht, wieviel wahre Zufriedenheit und inneres Glück ihnen entgeht.
Um ganz ehrlich zu sein… Diese Methode ist meiner Erfahrung nach so gut wie unmöglich ^^ Und je nachdem, wie stark du schon belastet bist, solltest du evtl. direkt auf Schritt 2 oder 3 zurückgreifen.
Achte also darauf, ab wann diese „nette Tour“ zu sehr an deinen Kräften zehrt.
2. Selbstschutz
Achte auf deine Gefühle.
Achte darauf, wie du dich in der Anwesenheit deiner Freunde/ Familienmitglieder/ Mitmenschen fühlst. Lerne zu erkennen, wann du die Zeit mit ihnen nicht mehr genießt und sie dir zuviel Energie rauben. Wenn du Symptome wie Müdigkeit, Ausgelaugt-sein, Unaufmerksamkeit oder eine plötzliche Unzufriedenheit und Unruhe spürst, könnte es sein, dass gerade ein Energievampir am Werk ist. Überleg dir schon im Voraus genau, ab wann du Grenzen setzen möchtest und übe dich darin, das auch tatsächlich zu tun.
Arbeite an deiner Abgrenzungsfähigkeit.
Setze deinem Energievampir feste Grenzen. Lerne nein zu sagen. Ein Gespräch zu beenden. Geh nach Hause wenn dir danach ist. Sag ihm was dich stört.
Damit dir das alles leichter fällt, kannst du ihm vorher klarmachen, dass jeder Mensch begrenzte Energiereserven hat, die unterschiedlich schnell verbraucht werden. Warne ihn sozusagen vor, dass du in Zukunft mehr auf dich und deine Energie/ deine Kraft achten möchtest.
Das alles ist jedoch leichter gesagt als getan. Ich konnte es jahrelang nicht über mich bringen, ein Gespräch „vorzeitig“ zu beenden und ich denke mal, dass es dir ähnlich geht, wenn du bis hierhin gelesen hast. Wichtig sind folgende Punkte:
- Mach dir klar, dass du KEINE Schuldgefühle haben musst und nicht verpflichtet bist, ihm zu helfen bzw. zuzuhören. Du bist kein Psychotherapeut, es ist nicht dein JOB. (Ich wurde oft so behandelt als wäre es mein Job.) Auch dein Energievampir muss früher oder später mal begreifen, dass man seine Freunde nicht als Therapeuten missbrauchen sollte.
- Arbeite an deinem Selbstwertgefühl. Verstehe, dass die Bedürfnisse anderer NICHT wichtiger sind als deine eigenen. Sorge für dich. Du bist es wert, von dir selbst gut behandelt zu werden und das auch von anderen einzufordern. DU bist dein bester Freund. (Hier findest du eine gute Übung, die dir zeigt, wie du an deiner Selbstliebe und an deinem Selbstwertgefühl arbeiten kannst)
- Frag dich, ob du Angst hast, durch deine „Abgrenzung“ nicht mehr gemocht zu werden oder sogar Freunde zu verlieren. Das ist total verständlich, aber diese Angst sollte mit der Zeit aufgelöst werden.. Es ist nicht gut, so abhängig von anderen zu sein, dass man alles mit sich machen lässt. Und es ist völlig ok, auch mal Freunde zu verlieren. Das gehört zum Leben dazu. Frag dich lieber, wieso du meinst, diese Person so dringend zu brauchen. Dein Glück liegt in dir, nicht in anderen Menschen. Und wenn sich ein Freund wirklich von dir abwendet, nur weil du deine eigenen Grenzen setzt – um dich selbst zu beschützen – war er die Mühe sowieso nie wert.
3. Letzter Ausweg. Renn.
Wenn du versuchst, Gespräche höflich zu beenden, deine Grenzen auf nette Art und Weise zu setzen und er diese einfach nicht respektiert, bleibt dir nichts anderes übrig, als direkt und sogar unhöflich zu werden.
Sag ihm ins Gesicht, dass er gerade deine Grenzen überschreitet. Schenk ihm keine Aufmerksamkeit mehr, wenn er deine Abgrenzungsversuche einfach ignoriert.
Und irgendwann kommt vielleicht auch der Zeitpunkt, an dem du loslassen und dich von ihm fernhalten musst. Das habe ich leider sehr spät erkannt.
Langfristige Folgen oder: Meine Geschichte
Wie oben erwähnt habe ich so meine Erfahrungen mit Energievampiren gemacht. Es gab da ein oder zwei oder drei Personen, die mir absolut nicht gut taten, weil sie mein Empathievermögen, meine Unfähigkeit, nein zu sagen und mein (im Vergleich zu ihnen) geringes Bedürfnis, das Wort zu ergreifen, ausnutzten.
Mir wurde schon mehrfach von Freunden gesagt, dass sie niemanden kennen würden, mit dem man „so gut reden könne“ wie mit mir. (Es ist schon traurig, dass es unüblich geworden ist, jemandem richtig zuzuhören und auf jemanden einzugehen, anstatt nur seinen Seelenmüll loswerden zu wollen.) Durch das Lob meiner Freunde war ich stolz auf diese Eigenschaft und wollte, dass sie mich weiterhin mögen und gerne mit mir reden. Ja, ich dachte, sie würden mich nicht mehr mögen, wenn ich aufhören würde, „für sie da zu sein“. Dabei habe ich ewig übersehen, dass sie im Gegenzug nicht für mich da waren. Dass das nicht das war, was ich mir unter dem Wort „Freundschaft“ vorstellte. Denn Füreinander da sein bedeutet, sich gegenseitig zu helfen. Wenn 90% der Redezeit von deinem Freund/deiner Freundin eingenommen wird und du darum kämpfen musst, auch mal ans Wort zu kommen, läuft etwas gewaltig schief.
So ein Fass läuft irgendwann über. Das ist garantiert. Und bei mir passierte das letztes/ vorletztes Jahr, als ich starke Depressionen hatte (was die Vampire wussten), eine langjährige Beziehung in die Brüche ging und ich währenddessen noch meinen Master machte, ein Burnout hatte und in eine neue Stadt umzog. Und trotz ALLEM was ich durchmachte, verlangten sie von mir zuzuhören, waren sie nicht für mich da wenn ich sie gebraucht habe und konnten niemals für mich zurückstecken….. Und sie haben einfach NICHTS verstanden. (z.B. dass man mit Depressionen noch weniger Energie hat als gewöhnlich)
Vielleicht wären diese Freundschaften ja gar nicht zu Brüche gegangen, wenn ich das alles früher realisiert hätte und einige Tipps angewendet hätte.. Ich kann nur sagen, dass mich diese „Freundschaften“ fertig gemacht haben. Und zu meiner damaligen Kraftlosigkeit, Lustlosigkeit und Misanthropie extrem beigetragen haben. Und es ist besser, solche Leute zu verlieren, als sich aussaugen zu lassen, bis man kaputt ist und Menschen nicht mehr ertragen kann.
love // Ingrid Cat
klauritsch
Ich erkenne mich da total wieder! Ich habe auch viele Energievampire um mich gehabt und es erst sehr spät gemerkt, hab dann die Reißleine gezogen und es war gut so. Aber die Depression kam trotzdem.
Ich bin genauso was dieses Zuhören angeht und die Empathie. Wie oft wurde mir sowas gesagt wie „du bist zu gut für diese welt“ oder sowas. Und naja ich habe mich nie so gesehen und hatte immer Verlustängste… Ich finde das echt sehr sehr interessant zu lesen und ich werde das demnächst immer im Hinterkopf behalten!
Ingrid Cat
Ich liebe deine Kommentare 🙂
Ja es ist immer so eine Sache: Tut man etwas für andere oder in Wirklichkeit doch irgendwie für einen selbst? Also, natürlich wollte ich, dass es ihnen gut geht und dass ich ihnen helfe, aber der Hauptgrund, warum ich nie nein sagen konnte war, dass ich Angst hatte, sie vor den Kopf zu stoßen und dass sie mich dann nicht mehr so mögen. Interessant dass du diese Verlustängste kennst!
Danke dass du hier bist <3
mme
offtopic but: Ich habe auch transsylvanische Wurzeln 😀 Meine Mama ist Ungarin aus Maramures, mein Papa sieht sich als Rumäne aus dem Banat, aber ursprünglich sind wir Siebenbürger Sachsen. wie sieht es bei dir aus?
Ingrid Cat
ohhh was für ein Zufall??? Ich lerne seltenst Leute aus Siebenbürgen kennen und im Internet sogar noch nie 🙂 Wir sind „nur“ „ganz normal“ Siebenbürger Sachsen, ich bin in Schäßburg geboren, meine Eltern glaube ich in Nadesch. Wir reden auch Siebenbürger Sächsisch daheim 😛 Und ihr? Bist du in Deutschland geboren? Identifizierst du dich irgendwie mit Ungarn/Rumänien/Siebenbürgen?
mme
Für mich ist es jetzt ’schon‘ die zweite Bekanntschaft :3
Ich bin in der Schweiz geboren, habe aber meine ersten 3-4 Lebensjahre bei meiner Oma in der Nähe von Baia Mare verbracht, daher bin ich zuerst bilingual Rumänisch-Ungarisch aufgewachsen & habe Deutsch in der Schweiz gelernt. Die Familie meines Vaters empfindet sich als Rumänisch und seit meinem Urgrossvater spricht eigentlich niemand mehr Deutsch in der Familie (dafür scheint die Emigration / Vertreibung aus Siebenbürgen zu lange her zu sein). Ich identifiziere mich am ehesten mit Rumänien/Siebenbürgen, weil ich da von ‚beiden Seiten‘ etwas hab. In Ungarn war ich nie viel und der Banat ist nicht wirklich Serbien…^^ Vielleicht sollte ich darüber mal bloggen 😀
Wie lange bist du denn schon in Deutschland?
Ingrid Cat
Ich bin schon seit ich 3 Jahre alt war in Deutschland, also kann ich mich gar nicht mehr an Rumänien erinnern.. Würde ich voll gerne lesen wollen, was du da so zu sagen hättest! Bin gespannt ob was kommt 🙂